Eigenversuch bestätigt: Das Lauftreff-Rezept funktioniert bestens

 

Nicht möglich? Von Null auf eine Stunde in drei Monaten? Journalist Wolfgang Lucke hatte nach einigen missglückten Soloversuchen immer noch Lust aufs Laufen und gesellte sich zum Lauftreff Untermosel. Das Ziel: Eine Stunde am Stück laufen.

Es geht los, Samstag, der 10. März: Dichte Wolkendecke, aus der es ein bisschen tröpfelt, kühl, ein Wetter, das das Aufstehen von der Couch nicht einfacher macht, vor allem, weil es um eine drohende körperliche Anstrengung geht. Kobern-Gondorf ist das Ziel. Dort am Sportplatz haben sich schon knapp 20 nette Menschen eingefunden, zwischen zehn und sechzig, mehr Frauen als Männer, sportlich gekleidet und hoch motiviert: „Wir wollen laufen.“

Aufwärmen und los: Zehn Mal zwei Minuten laufen mit jeweils zweiminütigen Pausen stehen auf dem Programm. Klingt zunächst leicht, doch in der Wiederholung liegt der kleine Haken. Denn im Laufe der insgesamt 40 Minuten treten doch schon die ersten Ermüdungserscheinungen auf. Und ich soll in nur drei Monaten ne ganze Stunde durchlaufen? Haha, papperlapapp, denke ich und versuche die zunehmende Schwere in den Beine zu vergessen. Alle halten diese erste Lektion durch, zufrieden geht’s wieder auf die Couch.

Klar, die zwei Minuten habe ich geschafft, da schaffe ich auch die 2,5 Minuten. Aber es ist so: Am Anfang ist jede Sekunde mehr deutlich zu spüren, Ablenkung ist angesagt. Muntere Gespräche entwickeln sich, man erfährt, dass die meisten der sympathischen Mitstreiter ähnliche Probleme haben, etwa Bedenken, wie die steigenden Laufzeiten zu schaffen sind, wie man die geringer werdenden Pausen verkraftet, welches Schuhwerk hilfreich ist, oder welche Bekleidung.

Lauftreffleiter Roland beantwortet unsere Sorgen und Nöte mit einem wissenden Schmunzeln, er läuft seit vielen Jahren mit Leidenschaft und kennt natürlich alle Wehwehchen, die in der Anfangsphase dieser sportlichen Betätigung anfallen. Hin und wieder gibt er Tipps, etwa zum Laufstil, zur Bekleidung oder zur inneren Einstellung. Denn „die Stunde“ wird quasi im Kopf gelaufen.

Stimmt, denke ich, denn mit wachsenden Laufanteilen ist deutlich zu merken: Die Beine und der Kreislauf sind durchaus in der Lage, die Anforderungen zu meistern, nur der kleine Schweinehund in einem selbst weist immer mal wieder gerne auf unangenehme Dinge hin, die Schmerzen in den Beinen, die Unmöglichkeit, diese langen Minuten noch durchzuhalten, kurz, er entwickelt immer wieder Gründe, sich aus der Anstrengungszone zu befreien, eine interessante Selbstbeobachtung, die auch viele andere Teilnehmer teilen.

Wir haben wirklich viel zu schaffen: Die Stunde, die wir insgesamt ab Mitte April laufen, wird immer „gemeiner“ aufgeteilt, Roland gibt die Zeiten jeweils vor, zum Beispiel 9/6, das heißt wir laufen sechs mal neun Minuten mit jeweils einer Minute Pause. Durch die stetige Steigerung ist man bei jedem Training gefordert, ein Schippchen drauf zu legen.

Anfang Mai. Die Temperaturen sind mittlerweile auf angenehme Werte angestiegen, nur zwei „Ausreißer“ in den drei Monaten sind zu vermelden, einen Samstagnachmittag mit leichtem Regen, was aber eher angenehm ist, und einen 30-Grad-Tag, an dem wir wirklich die Grenze des Leistungsvermögens erreichen.

Und es geht weiter: „Heute laufen wir 10/38/10“, meldet Roland. Wieder eine Pause weniger, ein leichtes Schnaufen entringt sich der Gruppe. Doch Roland ist auch nicht durch das Angebot eines freien Cappuccinos umzustimmen. „Ist insgesamt auch nicht viel mehr als sonst,“ meint er grinsend. Und da hat er ja Recht! Hier läuft nur wieder das Kopfkino, das einem einflüstern will, alles wäre viel zu anstrengend. Die Erkenntnis steigt aber, dass wir eine reelle Chance haben, die Stunde wirklich durch zu laufen.

Es ist Anfang Juni. Ich spüre einen echten Trainingserfolg. Ich habe am Ende der Strecke noch Kraft für einen kleinen Spurt, gehe die Trainingseinheiten mit Freude an und in dem sicheren Wissen, die Strecke zu schaffen. Auch mental geht es besser, die anfangs ein wenig quälenden minutenlangen motivationsmäßigen Durchhänger habe ich im Griff.

Der Respekt vor der ganzen Stunde bleibt bis zum Schluss, obwohl die meisten schon bei der letzten Übungseinheit (50/9) sagen, dass man nun hätte auch schon durchlaufen können. So kommt es tatsächlich, wie es angekündigt war: Alle elf, die antreten, schaffen diese Stunde. Roland freut sich herzlich mit über den Erfolg und überreicht allen einen Aufsticker, quasi das „Offizielle Stunden-Zertifikat“.

Ich reibe mir die Augen: Bin das wirklich ich, der hier in nur drei Monaten von zwei Minuten auf eine Stunde laufen gebracht wurde? Der acht Kilometer durch läuft ohne zu sterben? Ja, es ist tatsächlich geschafft! Ein tolles Gefühl, jetzt heißt es „Dranbleiben“, diesen Trainingserfolg zu nutzen. Und als kleinen zusätzlichen Motivator hat sich Roland natürlich etwa ausgedacht, die gemeinsame Teilnahme am „Lauf rund ums Oberwerth“. Dort starten die „Absolventen“ über die Fünf-Kilometer-Strecke bester Laune und mit einem Lächeln auf den Lippen. Denn diese fünf Kilometer, eine echte Horrorvorstellung noch vor drei Monaten, laufen wir alle jetzt locker in 35 Minuten … oder noch besser!

 

Dank an Roland und die anderen Helfer vom Lauftreff!